Lean Lab: Eine Zeitreise durch die Anwendung von Lean im Labor
Der Begriff Lean wurde durch eine Studie des MIT im Jahr 1991 geprägt. Im Jahr 2001 wurde öffentlich von dem ersten Lean Projekt in den USA berichtet. In der Literatur wurde „Lean Lab“ erstmals im Jahr 2005 erwähnt: Zu dem Zeitpunkt mit dem Untertitel „A new way of thinking“. Seitdem haben sich Lean-Techniken um die gesamte Welt ausgebreitet und in tausenden von Projekten in Laboren bewährt. Zudem stammt ein großer Teil der Literatur, die insbesondere in naturwissenschaftlich orientierten Journals veröffentlicht wird, nicht mehr aus den USA.
Der Ursprung von Lean Lab
Um die Jahrtausendwende starten die ersten Lean Lab Projekte in US-Krankenhauslaboren
Der Begriff „Lean“ wurde durch die MIT-Studie im Jahr 1991 geprägt. Fast zehn Jahre dauert es, bis das Thema Lean im Labor praktisch angewendet wurde. Zum Ende des 20. Jahrhunderts hat Johnson & Johnson & Co. über seine Tochter Ortho Clinical Diagnostics (OCD) einen weiteren Service für seine Krankenhauskunden eingeführt: Laboroptimierung mit Lean Management und SixSigma-Techniken.
Das erste „beta-Projekt“ von OCD fand im Jahr 2001 in den Laboren des Krankenhauses von „BayCare Health System“ in Clearwater im Bundesstaat Florida in den USA statt. Mit großem Erfolg: Durchlaufzeiten wurden nicht nur reduziert sondern auch zu über 95% eingehalten. Zudem wurden durch das erste Projekt mehr als 300.000 USD eingespart. Es half außerdem den Mangel an Fachkräften zu lindern.
Von diesem und weiteren LeanLab-Projekten und deren z.T. dramatischen Verbesserungen in kurzer Zeit wurde in den folgenden Jahren ausführlich berichtet. Beispielsweise wurden Erfahrungsberichte von Projekten der Jahre 2002/2003 auf der jährlichen Konferenz der Pathologie-Labore im Jahr 2003 gezeigt. Lean Lab wurde hier als eine „Revolution“ für das „Management von Laboren“ bezeichnet.
USA mit Florida
Bundesstaat Florida (USA)
Labor-Segmente mit ersten Anwendungsprojekten
Gründe für die frühe Anwendung in Krankenhauslaboren
Ist es Zufall das Lean zunächst in Krankenhauslaboren eingeführt wurde? Warum wurde Lean nicht zuerst in Laboren der Pharmaindustrie angewendet? Dies kann tatsächlich Zufall sein. Aber es sprechen auch einige Gründe dafür, dass dieser Bereich prädestiniert ist für die Anwendung von Lean.
Die Pharmaindustrie war beispielsweise bis zum Jahr 2000 für zwei Jahrzehnte die profitabelste Industrie weltweit (siehe Garnier, 2008). Dementsprechend war der Druck geringer, durch Optimierungen die Profitabilität weiter zu steigern. Zudem bestand ursprünglich bei vielen Führungskräften die Sichtweise, dass die Einführung von Lean aufgrund der hohen Compliance-Anforderungen der Pharmaindustrie nicht möglich sei. Eine Sichtweise, die heute als überholt gilt. In den letzten Jahrzehnten hat sich gezeigt, dass gerade durch die Anwendung von Lean-Techniken zur Verbesserung der Zuverlässigkeit von Abläufen beigetragen wird.
Für Pathologie- und Histologie-Labore in Krankenhäusern dagegen war die Notwendigkeit zur Optimierung höher: beispielsweise da Krankenhäuser unter erheblichem Kostendruck standen und gleichzeitig Labor-Ergebnisse in kürzester Zeit zur Verfügung stehen müssen, um Patienten schnell behandeln zu können. Zudem ist das Probenaufkommen recht hoch und bei vielen Laboren die Vielfalt der Analysemethoden tendenziell gering, so dass Optimierungen sehr schnell Wirkung zeigen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Lean als erstes in Krankhauslaboren Anwendung fand. Entsprechend zeigt sich auch das Bild der Publikationen: In den ersten 5 Jahren wurden ~75% der Artikel zu Krankhauslaboren veröffentlicht. Heute findet Lean in allen Arten von Laboren Anwendung.
Pioniere von Lean Lab
Mark Jamrog, Jahrgang 1954, aufgewachsen in der Nähe von Detroit (USA) lernte als einer der ersten in den 80ern die „Lean-Techniken“ vor Ort in Japan kennen und wendete diese u.a. als Werksleiter in der Automobilindustrie an. Ende der 90er-Jahre arbeitete er als selbständiger Berater für Ortho Clinical Diagnostics (OCD) und brachte Lean als einer der ersten in Labore.
Erste Forschungsarbeiten zu Lean Lab
Zum Ursprung von „Lean im Labor“ in der Literatur
Bis das Thema Lean in der Labor-Literatur ankam, dauerte es noch ein paar Jahre. Beispielsweise war in keinem der um die Jahrtausendwende veröffentlichten Büchern zum Management von Laboren das Thema Lean enthalten, noch wurde das Thema genannt. Nach unserer Recherche wurde der Begriff in der Literatur erstmals in der wissenschaftlichen Arbeit „The Lean Laboratory“ von Thomas C. Trible aus dem Jahr 2005 umfassender thematisiert. Dort war Lean im Labor noch „A new way of thinking“.
Daher beschreibt Trible, dass das Thema Lean im Jahr 2005 „generally unknown to the laboratory industry” ist und die zentrale Frage war immer noch: „Can lean thinking be applied to the laboratory industry? Eine Frage, die sich gut fünfzehn Jahre nach seiner Arbeit kaum noch jemand stellt.
Entwicklung der Publikationsaktivität
Publikationen zu Lean Lab: Ursprünglich US-geprägt – heute weltweit
In den folgenden Jahren wurde das Thema Lean Management im Labor intensiver in der Literatur behandelt. Nicht verwunderlich ist, dass mit etwa 80% ein Großteil der gesamten Literatur der letzten zwanzig Jahre aus den USA kommt – dem Land, in dem die MIT Studie durchgeführt wurde. Bis 2009 kamen sogar nur zwei Artikel nicht aus den USA. Jedoch hat in den Jahren seit 2010 der Anteil von Literatur außerhalb der USA deutlich zugenommen. In den letzten fünf Jahren war der Anteil außerhalb der USA knapp die Hälfte. Es entstanden sogar in Namibia, Malaysia und Saudi-Arabien Artikel zum Thema Lean Lab.
Interessant ist zudem, dass die Artikel zu ca. 75% in naturwissenschaftlichen Journals veröffentlicht wurden, aber nur zu einem geringeren Teil in betriebswirtschaftlich orientierten Publikationen. Zudem erschienen etwa zwei Drittel der Artikel in „Praktiker-Zeitschriften“ (z.B. dem Medical Laboratory Observer, MLO) und ein Drittel in Journals mit wissenschaftlichem Anspruch (z.B. Journal of Clinical Laboratory Analysis). Einige der Artikel wurden sogar in angesehenen Journals, wie z.B. dem „The Journal of Molecular Diagnostics” oder dem „Journal of Clinical Pathology“, veröffentlicht (Journal Impact-Faktor: 3,35 und 1.3, Quelle: Research Gate, 2018 bzw. 85 und 116 nach Scimago Journal Rank) und haben beispielsweise den Nutzen der Einführung von Lean in Laboren systematisch untersucht.
Anzahl „Lean Lab“ Publikationen je 5-Jahreszeitraum
Lean Lab
Kurzform „Lean Lab“ hat sich in den letzten 10 Jahren etabliert
Lean Management + Laboratory = Lean Lab
Lean Management im Labor: So ist die „offizielle“ Bezeichnung, die sowohl zu Beginn als auch heute noch viel verwendet wird. Doch bereits ab dem Jahr 2005 wird immer mehr die Abkürzung „Lean Lab“ verwendet (teilweise auch als ein zusammen geschriebener Begriff „LeanLab“). Zunächst insbesondere im Begriff „Lean Lab Design“. Unsere Recherche zeigt, dass sich dann ab dem Jahr 2010 immer mehr der kompakte Begriff „Lean Lab“ etabliert. Heute wird der Begriff für Laboroptimierungen verschiedenster Art verwendet.
Themenschwerpunkte
Lean für Laborprozesse, Lean Lab Design und Labor 4.0
Anteil aller „Lean Lab“ Publikationen nach Themen
Die zentralen Themen der Publikationen zum Thema Lean Lab drehen sich um drei Themen: Erstens die Gestaltung eines Laborlayouts nach Lean-Prinzipen (auch „Lean Lab Design“ genannt) mit 21% und zweitens die Anwendung von Lean auf die Abläufe und Prozesse im Labor (76%). In den letzten 3 Jahren ist nun auch das Thema Lean Lab im Zusammenhang mit der Digitalisierung bzw. „Industrie 4.0“ aufgekommen – auch „Labor 4.0“ oder „Smart Lab“ genannt.
Beim erstgenannten Themenschwerpunkt „Lean Lab Design“, z.T. auch Lean Lab Layout genannt, geht es um die Planung eines Labors für einen Um- oder Neubau. Bei letztgenanntem Themenbereich rund um die Optimierung von Laborprozessen gibt es drei unterschiedliche Schwerpunkte: (1) die Erhöhung der Effizienz durch die Verringerung von Verschwendungen, (2) die Reduktion von Durchlaufzeiten von der Probennahme bis zum fertigen Prüfergebnis und (3) die Verbesserung der Zuverlässigkeit bzw. Qualität von Abläufen.
Lean Lab und Labortypen
Routinelabore im Fokus – verstärkte Anwendung in F&E-Laboren in den letzten Jahren
Sowohl die praktische Anwendung als auch die Literatur handelt seit dem Jahr 2001 primär von Routinelaboren, also von Qualitätskontrolllaboren (sogenannte „QK-Labore“ oder „Inhouse-Labore“) aus produzierenden Unternehmen oder Auftragslaboren (der Anteil der Literatur liegt bei 99%). Dies ist nicht verwunderlich, da Lean Management-Techniken in produzierenden Unternehmen mit repetitiven Tätigkeiten erfunden und über viele Jahre primär angewendet wurden.
Auch heute besteht häufig noch die Sichtweise, dass Lean auch nur dort anwendbar ist. Dies trifft jedoch nicht zu. Bestätigt wird dies nicht nur durch Publikationen zu Lean in Forschungs- und Entwicklungsprojekten sondern auch erfolgreichen Projekten. Wenn man sich dann aber vor Augen hält, dass der Anteil von Verschwendungen (im Sinne der 7 Verschwendungsarten von Lean) bei Entwicklungsaktivitäten deutlich höher ist als bei Routineaktivitäten und das viele Lean-Prinzipien und Techniken vom Kern her auch gültig sind, wird deutlich, warum in den letzten Jahren immer mehr F&E-Labore Lean anwenden.
Geniu und Lean Lab
Berater von Geniu gehört zu den ersten, die Lean im Labor in Europa angewendet haben
Schon bevor ab 2010 Lean Management vermehrt in Laboren in Europa Anwendung fand, haben Berater von Geniu Lean im Labor angewendet. Beispielsweise hat der Gründer von Geniu Dr. Wolf-Christian Gerstner im Jahr 2008 mit einem ehemaligen Toyota-Mitarbeiter und Lean Experten, in einem Qualitätskontrolllabor in einem Werk eines Pharmaunternehmens in der Nähe von Dublin (Irland) eingeführt. In den kommenden Jahren folgten Projekte in weiteren Ländern wie z.B. Polen, China, Deutschland, Schweiz, Israel.
Pharma-Unternehmen in Irland im Jahr 2008
Das Labor in Irland hatte ca. 35 Mitarbeiter und das Projekt im Labor fand im Rahmen einer Lean Transformation des gesamten Produktionsstandortes statt. Die Ergebnisse waren überzeugend: Mehr als 50% Optimierungspotential (im Sinne der sieben Verschwendungsarten) und umfangreiche Möglichkeiten die Durchlaufzeiten zu reduzieren wurden identifiziert.
“Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.“
– August Bebel –
Quellen:
- Ganier, J.-P., Re-building the R&D engine in Big Pharma, Harvard business review, Mai 2008, Vol. 86, Issue 5, S. 68-76
- Trible, T. C. , The lean laboratory: A new way of thinking, UMI/ProQuest, 2005
- Michel, R., Lean Management helps Bay Care’s Lab boost Quality, The Dark Report, Vol. VIII, Nr. 14, 15. Okt. 2001