Automatisierungs-Technologien haben sich rasant entwickelt. Daraus ergeben sich vielfältige Möglichkeiten für Labore, um den Wandel aktiv zu gestalten, aber auch Anpassungszwänge. Vier Dinge können Sie schon heute tun, um sich vorzubereiten.
Die Vorstellung wirkt bizarr. Ich bestelle eine Pizza. Wenig später klingelt es nicht an der Tür, sondern in meiner Hosentasche: Eine SMS verspricht mir, dass die Pizza vor der Tür bereitsteht. Ich öffne die Tür und eine Mischung aus Friteuse und Rasenmäher steht vor mir und blinkt. Ich öffne die Klappe mit dem Code aus der SMS und entnehme die Pizza. Klappe zu und der Lieferroboter zieht wieder ab. Kein „Auf Wiedersehen“. Kein Trinkgeld.
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Fiktion? Nein: Was in Hamburg gerade pilotiert und in Kürze von einer Pizzakette kommerziell realisiert wird, ist nur ein Beispiel der rasant alle Lebensbereiche durchziehenden Automatisierung und Digitalisierung. Auch Industrie 4.0 oder für Labore „Lab 4.0“ genannt. Bisher gibt es für den Lieferroboter zwar noch keinen bekannten Einsatz im Labor, aber man kann sich durchaus vorstellen, dass Proben in Zukunft aus der Produktion per Roboter ins Labor gebracht werden könnten. Mehrfach am Tag. Im Notfall auch ad-hoc und mit kontrollierter Temperatur für sensible Produkte. Ähnlich zu Robotern, die bereits in der Logistik zum Einsatz kommen. Es ist aber auch denkbar, dass immer weniger Proben überhaupt in die Labore gebracht werden müssen. Online-Messungen oder Process Analytical Technology (PAT) werden es möglich machen.
Durch die rasante Entwicklung von Technologien wie Machine-Learning, Robotics oder Artifical Intelligence begrenzt sich die Automatisierung nicht mehr nur auf einfache Routineaufgaben, sondern hat das Potential komplexe, bisher hoch bezahlte Aufgaben zu erledigen – auch im Labor. Mehrere in den letzten Monaten veröffentlichte Studien zeigen auf, dass ca. 50% der Aufgaben über Industrien hinweg in den nächsten 25 Jahren ersetzt werden können. Daher wird von einem „neuen Zeitalter der Automatisierung“ gesprochen. Dieser Trend scheint besonders relevant für Qualitätskontrolllabore zu sein, die einen hohen Anteil von personalintensiven Routineaktivitäten aufweisen.
Anwendungsmöglichkeiten fürs Labor
Die Automatisierung ist für Labore von erheblicher Bedeutung, um die Produktivität zu steigern, Abweichungen zu reduzieren und die Geschwindigkeiten zu erhöhen. Einen ersten Eindruck, was alles im Labor möglich sein wird, gibt bereits die Raman-Technologie: Diese hat nicht nur Identitätsprüfungen im Wareneingang dramatisch vereinfacht, sondern nun auch in der Freigabeprüfung (z.B. Gleichförmigkeitstests mit 5- bis zu 10-fach geringeren Kosten pro Test). Denkbar sind auch Tablets, die schon lange auf der Wunschliste vieler Labore zur Real-time Steuerung sind. Wenn sich die aktuell verfügbaren Softwareangebote zur Laborplanung nochmals weiterentwickeln, sind hier attraktive Anwendungsmöglichkeiten vorstellbar. Darüber hinaus ist der Einsatz von weiteren Technologien denkbar. Datenbrillen, um Informationen zum Testprozess anzuzeigen. „Virtual Reality“, um neue Mitarbeiter zu schulen oder „Predictive Maintenance“, um die Geräte optimal zu warten.
Ihr Hebel um den Grad der Automatisierung mitzugestalten
Doch bei all den technischen Entwicklungen muss Folgendes berücksichtigt werden: Ein wesentlicher Teil der Aufgaben wird weiterhin durch gut ausgebildete Labormitarbeiter durchgeführt werden und es lohnt sich nicht, jede technische Spielerei mitzumachen. Ob die Automatisierung 30, 50 oder 70 Prozent der Routinetätigkeiten erfasst, hängt zum einen von der weiteren technischen Entwicklung ab und zum anderen von den Produktivitätssteigerungen durch kontinuierliche Verbesserungen der Abläufe. Je stärker diese vorangetrieben werden, desto weniger rechnen sich Investitionen in Hard- und Software. Oder anders betrachtet: man kann durch Verbesserungen Tag für Tag Kosten sparen, als auch hohe Investitionen und die Abhängigkeit von Technik zu einem gewissen Grad vermeiden. Optimierung ist daher schon jetzt wichtig. Und da schlummern in Laboren noch signifikante Potentiale.
Der Weg der technologischen Spezialisierung
Insbesondere für kleine Labore lohnen sich häufig Investitionen in Hard- und Software nicht. Das erkennt man schon heute daran, dass einige immer noch kein Labor-Informations- und Management-System (LIMS), geschweige denn eine elektronische Dokumentation oder eine effektive Software zur kurz- und mittelfristigen Laborplanung haben. Aber auch für Labore mit 30 bis 50 oder mehr Mitarbeitern muss kritisch geprüft werden, was sich rechnet und was nicht. Hier helfen die Informationen von Verbesserungsprojekten, so dass einmal mehr die Regel lautet: „Erst optimieren, dann automatisieren und digitalisieren“.
Die Automatisierung wird auf die Laborlandschaft weltweit einen erheblichen Einfluss haben. Zum Beispiel wird sich der Trend zu größeren und auf ein bestimmtes Portfolio von Technologien spezialisierten Laboren weiter verstärken. Darüber hinaus wird das Outsourcing an Auftragslabore, die Testvolumen über mehrere ihrer Kunden bündeln können und so eine kritische Masse erreichen, weiter zunehmen.
Was Sie schon heute tun können
1. Technologische Entwicklung verfolgen
Bleiben Sie über die technologischen Trends auf dem Laufenden. Neben Fachjournalen eignen sich hierzu auch Messen und Konferenzen. Zum Beispiel die Labvolution (16.-18. Mai 2017 in Hannover) mit Fokus auf Automatisierung und Laborsoftware oder die Lab Supply (mehrere Termine, z.B. am 11.10.2017 in Hamburg). Versuchen Sie zudem, zu einer Einschätzung zu gelangen, in welchem Entwicklungsstadium sich eine Technologie befindet und wie ausgereift diese ist oder inwieweit Technologiesprünge bevorstehen, die abgewartet werden sollten.
2. Automatisierung als Teil der Laborstrategie herausarbeiten
Die Herstellung von Pharmazeutika ist ein Geschäft mit tendenziell langfristigen Zyklen. Daher ist es wichtig, dass frühzeitig die richtigen Weichen gestellt werden. Um in 5 oder 10 Jahren die Technologie des Labors grundsätzlich neu aufzustellen, muss rechtzeitig damit begonnen werden. Der erste Schritt hierfür ist die Ausarbeitung einer Automatisierungs- und Digitalisierungsstrategie.
3. Automatisierbarkeit der Methoden und Abläufe untersuchen
Kritisch gilt es zu untersuchen, inwieweit Ihre Methoden automatisierbar sind. Versuchen Sie sich hierfür in die Perspektive eines Roboters hineinzuversetzen, der mit Variationen im Ablauf in der Regel nicht so gut umgehen kann wie ein Mitarbeiter. Analysieren Sie zudem, welche Teilschritte der Abläufe am aussichtsreichsten für die Automatisierung sind. Dies können Sie im Rahmen von Verbesserungsprojekten, z.B. mit Lean Techniken, herausfinden.
4. Fähigkeiten für die Automatisierung und Digitalisierung aufbauen
Für die Automatisierung und Digitalisierung ist ein neues Spektrum an Fähigkeiten notwendig. Ziel ist es, die Technik zu beherrschen und effektiv einzusetzen. Dies kann nur passieren, wenn Sie diese an Ihre Bedürfnisse anpassen. Denn nur Sie kennen Ihre Prozesse so gut, wie es für die erfolgreiche Anpassung notwendig ist. Auch wenn der Hersteller die Anlage oder die Software einrichtet, benötigen Sie für viele Geräte jemanden in Ihrem Team, der diese programmieren kann. Nur dann werden Sie ein Maximum an Nutzen aus der Digitalisierung ziehen.